Montag, 28. Dezember 2009

Mit Sprachautomaten reden

"Wenn Sie eine Frage zu Ihrer Rechnung haben, drücken Sie die 1, wenn Sie..." Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Sprachautomat. Kennen Sie das? Angeblich funktioniert die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine heute ohne Probleme.

Schau mer mal, denke ich und rufe umgehend bei unserem Provider an. Habe da nämlich ein Problem mit dem Löschen einer Datenbank. Und werde wie befürchtet von einer Computerstimme begrüßt. Zuerst kann ich wählen, ob ich per Tastendruck oder mit meiner Sprache antworten möchte. Im ersteren Fall soll ich eine Taste drücken. Und im zweiten? Ich entscheide mich, nichts zu tun. Es funktioniert, denn nun kommt die nächste Frage: "Haben Sie eine Frage zu Ihrem Vertrag, dann drücken Sie die 1. Haben Sie eine Frage..." Ich entscheide, dass mein Problem nichts mit dem Vertrag zu tun hat, sondern mit dem Hosting. Also sage ich "drei!" Offensichtlich hat mich der Computer nicht verstanden, er wiederholt alles. Ich sage noch einmal, diesmal deutlich energischer "DREI!"

Ich gerate an die nächste Weiche: "Haben Sie eine Frage zu..." Diesmal muss ich "zwei" sagen und weiter geht es. Schließlich sagt die freundlichen Stimme, dass sie mich nun mit dem zuständigen Mitarbeiter verbindet - was aber nicht stimmt, weil jetzt Musik erschallt.

Laut Expertenansicht werden wir uns alle daran gewöhnen, mit Maschinen zu sprechen. Wir reden mit unserem Auto, mit unserem Backofen, mit der Beleuchtung im Haus. Die Technik versteht uns. Aber die Kommunikation verändert sich. Alles wird umgestellt auf "Multiple Choice". Und das ist extrem lästig. Ich kann nicht mehr sagen: "Ich habe ein Problem mit... Bitte verbinden Sie mich mit...", sondern muss warten, bis mir mein Problem zur Auswahl angeboten wird. Das soll die Zukunft sein?

Wohl eher nicht. Vermutlich werden die Maschinen eines Tages auch ganze Sätze verstehen. Wenn wir sie in ihrem Tempo und mit den ihnen bekannten Begriffen zusammenbauen. Bis dahin werden wir viel Geduld beim Beantworten der Auswahlmenüs benötigen. Und ich gestehe, dass mich das eher abschreckt.

Zur Ehrenrettung unseres Providers muss ich hier zugeben, dass das Warten diesmal erfreulich kurz war. Die Frage nach der Kundennummer gleich zu Beginn des Gespräches bringt mich nicht mehr aus dem Gleichgewicht, die Anmerkung des Mitarbeiters, dass er hofft, es handele sich wirklich um Hosting, irritiert mich kurz. Er bekommt meine Domain nicht angezeigt, hat was mit der Telefon-Nummer zu tun. Klar, weil ich ja von meiner Privatnummer anrufe, da versagt sein Kundenmanagementsystem. Anschließend erweist er sich allerdings als höflich und kompetent, offensichtlich hat hier die Schulung funktioniert.

Schade nur, dass mir beim nächsten Anruf wenige Minuten später (ich bin auf ein neues Problem gestoßen), die freundliche Stimme mitteilt, dass das Kundenservice-Center aufgrund technischer Probleme leider nicht zu erreichen ist.

Rezension zum Thema:
Dialog statt Monolog, acquisa 10/2009

Sonntag, 13. Dezember 2009

Tipps, die die Welt nicht braucht

Mitunter sitzt man etwas fassungslos vor einem Artikel und kann kaum glauben, was ein Autor uns anbietet. Die folgenden Beispiele stammen aus einem einzelnen Beitrag, aber er steht nur stellvertretend für viele andere.

Da wurde ein Berater von A.T. Kearney interviewt zu der Frage, wie Firmen Kosten senken können, ohne dass sie künftiges Wachstum bremsen. In der Tat eine knifflige Frage.

Seine Antwort: Sie dürfen nicht an der falschen Stelle sparen. Nun gut - was sind falsche Stellen? Es gibt eine ganze Reihe: Bei den gut ausgebildeten Fachleuten, die muss man halten. Kostet Geld. Bei der Forschung, sie entscheidet schließlich über die Zukunft. Ist auch teuer. Bei der Entwicklung - ohne neue Produkte kein Wachstum. Bei der Eroberung neuer Märkte - also bloß keine Niederlassungen im Ausland schließen. Bei den Produkten, diese sollten hochwertig sein. Bei den Kunden - die wichtigen müssen gehalten und neue gewonnen werden.

Und wo, bitteschön, kommt das Geld her? Drei Hinweise finden sich dazu in diesem Interview: Möglichst effizient und kostengünstig produzieren (bei gleichzeitiger Gewährleistung der Qualität). Hinweis Nr. 2 Auf dem heimischen Markt Kosten senken. Heißt wohl, Arbeitsplätze abbauen. Schließlich Tipp Nr.3: Der Staat sollte weitere Konjunkturprogramme auflegen, Steuern senken und in Schlüsselunternehmen investieren. Genial.

Außerdem fragt sich der geneigte Leser, was der gleiche Berater wohl Unternehmen empfiehlt, wenn gerade mal keine Krise herrscht? Und sowas nennt sich Strategieexperte...

Rezension zum Thema:
Beim Sparen schon an übermorgen denken, Financial Times Deutschland 20.11.2009

Freitag, 11. Dezember 2009

Noch mal zum Thema "Win-Win"

Ist der Begriff "Win-Win" nicht ein Widerspruch in sich? Heiko van Eckart hat mir einen interessanten Link geschickt: What ist Wrong with the Win-Win Negotiation Concept? Darin ist von neurobiologischen Erkenntnissen die Rede, dass wir neben dem "altruistischen Areal" im Hirn auch ein "Lust-Areal" besitzen. Und dass das "Lust-Prinzip" im Zweifel stärker ist als das altruistische. Soll heißen: Es mag zwar erstrebenswert sein, ein Verhandlungsergebnis zu erzielen, von dem beide etwas haben. Aber noch schöner ist das Gefühl, einen Vorteil errungen zu haben.

Allerdings, so die Hypothese, muss das noch lange nicht die langfristige Beziehung zerstören - was ja die wesentliche Begründung für das Anstreben einer Win-Win-Lösung ist. Es kann ja so sein, dass beide Seiten das Gefühl haben, gewonnen zu haben und den jeweils anderen als Verlierer sehen. Der objektive Beobachter hingegen erkennt, dass ja tatächlich beide gewonnen haben.

Kompliziert? In der Tat, aber so ist das nun mal mit einfachen Modellen - sie bilden die Wirklichkeit selten zutreffend ab. Dennoch bezweifle ich die These. Mit dem Verhandlungsergebnis ist die Situation ja noch nicht beendet. Die erste Bewertung ("Ich habe gewonnen und der andere verloren!") kann ja rasch revidiert werden - nämlich dann, wenn ich kurz danach erkenne, dass mein Vorteil gar nicht so groß war und der andere Informationen hatte, die mir nicht vorlagen. Dann ist die Beziehung doch beschädigt.

Echte Win-Win-Lösungen funktionieren nur, wenn man alle Karten auf den Tisch legt, die eigenen Interessen ebenso wie die Zwänge, denen man unterworfen ist. Nur dann kann ich einschätzen, ob ein Ergebnis den Interessen beider Parteien entgegen kommt.

Das Problem ist allerdings, dass in den seltensten Fällen so transparent miteinander umgegangen wird. Insofern ist das Win-Win-Prinzip vielleicht tatsächlich ein Utopie - aber eine schöne...

Dienstag, 8. Dezember 2009

Verhandlungstipps - irgendwie paradox

Vielleicht fehlt mir einfach das "Verhandlungs-Gen" - auf jeden Fall habe ich Verständnisprobleme, wenn ich Bücher oder Artikel zum Thema "Verhandeln" lese. Mal abgesehen davon, dass mir nach dem "Harvard-Konzept" nicht mehr wirklich Neues begegnet ist, kann ich mit den meisten Ratgebern nichts anfangen. Immer wieder erhalte ich den weisen Rat, dass ich beim Verhandeln stets den Nutzen für beide Seiten im Blick haben sollte, und dass es zumindest für eine langfristige Beziehung zum anderen kontraproduktiv ist, wenn man "gewinnt". Also stets eine "Win-Win-Lösung" anstreben. So weit kann ich ja noch folgen.

Was aber ist dann von den unzähligen "Verhandlungstaktiken" zu halten, die uns immer wieder empfohlen werden? Z.B. "Fordern Sie deutlich mehr, als Sie tatsächlich erreichen wollen, um den Verhandlungspartner von seinem Ziel abzubringen." Das nennt sich "Der große Biss" und erinnert an den sprichwörtlichen türkischen Basar. Oder "der Gute und der Böse" - wenn man zu zweit ist, kann der eine ständig mit Abbruch drohen, während der andere beschwichtigt und scheinbar vermittelt (auch aus Polizeifilmen bekannt). Auch ein beliebter Tipp: Dem anderen ein "Gefühl geben". Z.B. dass er gewonnen hat.

Paradoxe Botschaften

Noch mehr Beispiele? "Erhöhen Sie die eigene Glaubwürdigkeit, indem Sie Argumente gegen die eigenen Interessen vorbringen." Oder: "Stellen Sie Gemeinsamkeiten heraus, auch wenn sie für die Verhandlung irrelevant sind. So schaffen Sie Vertrautheit und Wir-Gefühl."

Diesen "Ratschlägen" schließen sich dann immer Hinweise an, welche Gefahren solche Taktiken bergen. Dass sie durchschaut werden z.B. Noch besser: Gleichzeitig werden Tipps gegeben, wie man diesen Taktiken begegnet, wenn der andere sie anwendet.

Und die Krönung ist dann dieser Rat: "Setzen Sie die Taktiken immer nur mit dem Ziel einer Win-Win-Lösung ein!" Hallo? Welche Botschaft ist das denn? "Wir zeigen Ihnen alle Tricks und wie Sie diese einsetzen können. Aber wundern Sie sich nicht, wenn Sie erwischt werden. Und beschweren Sie sich nachher nicht bei uns, wir haben Sie gewarnt."

Erinnert mich an Fußballtrainer, die ihren Spielern empfehlen, dem Gegner freundschaftlich in die Knochen zu treten, aber so, dass er nicht merkt, dass es Absicht ist und sich beim nächsten Mal revanchiert.

Ich könnte ja noch verstehen, wenn Ratgeber sich ganz darauf konzentrieren, wie man diesen Tricks begegnet. Aber sie gleichzeitig zu empfehlen und von ihnen abzuraten? Irgendwie mies, oder ich verstehe es einfach nicht...

Rezensionen zum Thema:
Hepper, Astrid / Schmidt, Michael: Verhandlungstechniken - Ein Hörbuch
Trau, schau, wem, Wirtschaftswoche 44/2009

Montag, 7. Dezember 2009

Anreizsysteme für Compliance?

Große Unternehmen haben aus den Korruptionsskandalen gelernt und richten professionelle "Compliance-Abteilungen" ein. Diese sollen nun dafür sorgen, dass sich Führungskräfte und Mitarbeiter an gesetzliche Vorgaben und interne Regelungen halten. An den Gedanken kann ich mich immer noch nicht gewöhnen, zumal ich bisher dachte, eine funktionierende Revision und integre Führungskräfte sollten reichen. Das ist offensichtlich nicht der Fall, also müssen nun Spezialisten ran.

Einen richtig lustigen Vorschlag fand ich in einem Beitrag zu dem Thema. Darin geht es um den Aufbau einer "Compliance-Kultur" (auch ein merkwürdiger Begriff - als ob es einer besonderen Kultur bedarf, sich an Gesetze zu halten) mit einer Reihe von Vorschlägen wie Schulung der Vorgesetzten, regelmäßige Informationen, Überprüfung der Integrität (und das nicht nur bei der Einstellung) und klare Vereinbarungen im Arbeitsvertrag.

Und dann das: Man könne auch "Anreizmechanismen erarbeiten". So könne man "einen Anteil der Bonuszahlung von der Erfüllung der Compliance-Vorgaben abhängig" machen. Im nächsten Satz wird sofort zurückgerudert, schließlich sei der Verhaltenskodex ja eine generelle Anforderung an alle Mitarbeiter, und spezielle Incentives ja eigentlich überflüssig.
Aber man könne ja besondere "Anstrengungen zur Schaffung und Verankerung von Compliance-Instrumenten und -Maßnahmen" belohnen.

Man müsste mal eine Sammlung all der Verhaltensweisen und Leistungen aufstellen, für die von solchen Experten gesonderte Anreizsysteme empfohlen werden. Die Liste würde sicher endlos...

Rezension zum Thema:
Vorsorge von allen Seiten, Personalwirtschaft 8/2009

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Doc around the clock

Wie oft läuft der Deutsche im Durchschnitt pro Jahr zum Arzt? Ca. 18 mal. Das ist rekordverdächtig (der Schwede geht 2,8 mal im Jahr zum Medizinmann). Und in der Schweiz könnte die Zahl weiter sinken, denn dort experimentiert man seit geraumer Zeit mit dem medizinischen Rat per Telefon. Schon jetzt haben 30% aller Schweizer Zugang zu dem kostenlosen Service. Verrückt? Ganz und gar nicht.

Am anderen Ende der Leitung sitzen ausgebildete Fachärzte, und die tun etwas, das man im Grunde jedem Arzt empfehlen sollte: Fragen und zuhören. Im Durchschnitt dauert ein solches Gespräch 15 Minuten, während der Arztbesuch häufig nach 8 Minuten beendet ist. Kein Wunder, denn der deutsche Mediziner schleust im Schnitt 38 Patienten pro Tag durch seine Praxis.

Aber kann man am Telefon wirklich helfen? Man kann. Ein Drittel möchte nur eine zweite Meinung einholen, ein Drittel möchte wissen, ob man sich selbst helfen kann. Und ein Drittel wird zum richtigen Facharzt oder an eine Klinik verwiesen. Je spezifischer die Beschreibung der Symptome, umso eher kann der telefonische Ratgeber helfen. Und das rund um die Uhr und praktisch ohne Wartezeit.

In Deutschland trifft das Modell auf wenig Gegenliebe. Bei den Berufsverbänden, versteht sich. Da herrscht ein Dogma, und das lautet: Ein Arzt muss seinem Patienten persönlich gegenüber sitzen, um ihm helfen zu können. Aha. So wie bei dem Fall, den mir ein befreundeter Facharzt erzählte. Ihm hatte nämlich ein Kollege einen Patienten überwiesen mit Verdacht auf Blinddarmentzündung. Als er diesen Patienten nun untersuchte, fand er an einer verdächtigen Stelle eine Narbe vor. Die Frage, ob er am Blinddarm bereits operiert worden sei, bejahte der Patient. Real-Satire. Jede Wette, dass bei einer telefonischen Diagnose dieser Gang zum Arzt verhindert worden wäre.

Übrigens: Wer glaubt, dass mit diesem Modell viel Geld gespart wird, der wird in dem Beitrag der brand eins enttäuscht. Es werden immer noch genug Patienten ins Krankenhaus geschickt, und der Service kostet die Krankenkassen natürlich auch einiges. Aber dem einzelnen Patienten wird so manche Stunde in hässlichen Wartezimmern erspart, die Qualität der Behandlung steigt (wenn der Arzt vor Ort sich die gewonnene Zeit nimmt) und man könnte dem drohenden Ärztemangel ein gutes Stück begegnen. Wenn da nicht das Dogma wäre...

Rezension zum Thema:
In Rufweite, Brand eins 11/2009

Dienstag, 1. Dezember 2009

Von wegen Self-Service

Ich glaube, viele Personaler größerer Unternehmen verzweifeln an dem Problem, aktuelle Laufbahndaten ihrer Mitarbeiter zu gewinnen. Da etabliert man ausgefeilte IT-Lösungen, die zentral alles konservieren, was man an Informationen über die Mitarbeiter hat, aber wenn dann wirklich mal historische oder auch aktuelle Daten benötigt werden, dann liegen sie doch nicht vor. Und müssen mühsam erfragt und nachgepflegt werden.

Schön wäre es, die Mitarbeiter würden ihre eigenen Daten pflegen. Employee-Self-Service nennt man das. Auch hierfür gibt es feine Software-Angebote. Nur was helfen diese, wenn sich anschließend nur wenige die Mühe machen, ihre bisherigen beruflichen Stationen einzugeben und jede Veränderung nachzuhalten?

Doch halt: Menschen haben offensichtlich durchaus ein Interesse daran, darzustellen, was sie schon alles geleistet, welche Aufgaben und Positionen sie in ihrer Laufbahn bekleidet haben. Das beweisen die aufwändig geplegten Profile in den sozialen Netzwerken. Verrückt, oder? Da rennt der Personaler händeringend hinter den Daten her und im Netz könnte er sie ohne Probleme finden.

Da stellen sich mehrere Fragen:

Warum geben so viele Menschen so viel über sich öffentlich preis? Drang zur Selbstdarstellung? Naivität? Gezieltes Selbstmarketing? Und warum sind sie weniger bereit, ihrem Arbeitgeben diese Informationen zur Verfügung zu stellen? Misstrauen sie ihm? Was wenig rational ist, denn wer seine Daten öffentlich darstellt, der bietet sie ja auch seinem Arbeitgeber an.

Die Antwort scheint mir zu sein: Sie sehen keinen besonderen Nutzen darin. Offensichtlich ist Selbstmarketing im eigenen Unternehmen nicht sonderlich attraktiv. Anders formuliert: Es bringt ihnen nichts, ihre Erfahrungen, Ausbildungen, Interessen und Kompetenzen in einer Datenbank zu pflegen, weil ihre Erfahrung zeigt, dass Personalentscheidungen, Fördermaßnahmen und Karriereschritte offensichtlich nicht auf Basis dieser Informationen zustande kommen.

Auch eine interessante Frage: Dürfte der Personaler diese Daten einfach übernehmen? Technisch sicher kein Problem, datenschutzrechtlich schon. Auch wenn der Mitarbeiter alles über sich öffentlich preisgibt, heißt das noch lange nicht, dass er einverstanden ist, dass diese Daten bei seinem Arbeitgeber gespeichert werden. Aber da wird es sicher schon fleißige Leute geben, die alle Daten über Menschen sammeln und sie gebündelt Arbeitgebern zur Verfügung stellen.

Rezensionen zum Thema:
Nicht nur für das Recruiting, Personalmagazin 9/2009
Die Mitarbeiter machen lassen, managerSeminare 11/2009

Montag, 30. November 2009

Stiefkind Weiterbildung

150 Millionen Euro stellt Vater Staat zur Verfügung, damit Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt haben, diese Mitarbeiter qualifizieren und fit für die Zeiten machen können, wenn es wieder aufwärts geht. Ist doch keine schlechte Idee, oder? Warum sollten Mitarbeiter in dieser Zeit untätig herumsitzen? Wer vorher keine Zeit für Weiterbildungsmaßnahmen hatte, könnte jetzt endlich das Versäumte nachholen.

Tun aber die wenigsten. Die Gründe lesen sich so:
- Die Dauer der Kurzarbeit ist nicht abzusehen.
- Die Fördermöglichkeiten sind nicht überall bekannt.
- Der adminstritative Aufwand ist zu hoch.
- Man weiß nicht, wann es wieder aufwärts geht.
- Die so Qualifizierten verlassen anschließend das Unternehmen.
- Die Unternehmen haben das Weiterbildungsbudget komplett gestrichen.

Mag sein, dass einiges vorgeschoben ist, dass sich einfach auch niemand um die Sache kümmert - aber der letzte Satz macht doch stutzig. Die Unternehmen müssten einen Eigenanteil zahlen, aber nicht mal dazu sind sie bereit. Nachgefragt, warum das so ist, erfährt man offensichtlich: Die Verantwortlichen glauben nicht, dass Weiterbildung der Mitarbeiter ihnen etwas bringt. Noch krasser ausgedrückt: Jeder Cent, der in Qualifizierungsmaßnahmen gesteckt würde, wäre herausgeworfenes Geld. Selbst (fast) geschenkt ist es zu teuer.

Zugegeben, nicht alle denken so, es soll auch etliche geben, die die Staatsknete abrufen. Aber hier wird auch deutlich, warum so viele nach Modellen rufen, die den Nutzen von Weiterbildung berechenbar machen, und zwar in Euro und Cent.

Ich stelle mal eine Hypothese auf: Die Unternehmenslenker und Personaler, die diese Haltung vertreten, haben doch offensichtlich in ihrem Leben keine besonders positiven Erfahrungen in Sachen "Lernen" gesammelt. Ist sonst vorstellbar, dass sie die Chance verstreichen lassen, ihre Mitarbeiter für zukünftige Herausforderungen preisgünstig fit zu machen? Welche Antwort würde man wohl bekommen auf die Fragen:
"Haben Sie schon mal eine Qualifizierungsmaßnahme erlebt, die Ihnen wirklich was gebracht hat? Welche war das? Und was hat sie ausgezeichnet?"
Ich wette, die Antworten wären ernüchternd...

Rezensionen zum Thema:
Qualifizierung (fast) zum Nulltarif, Personalmagazin 9/2009
Verpasste Gelegenheit, Financial Times Deutschland 23.09.2009
Zeit für eine Bildungsoffensive, Handelsblatt Jg. 2009 17.08.2009

Montag, 23. November 2009

Wettbewerb im Öffentlichen Dienst?

Wie macht man aus einem Amt, das mehr mit sich selbst als mit den Bürgern beschäftigt ist, ein leistungsstarkes "Unternehmen"? Durch Wettbewerb, dachten sich die Berater von KMPG und die Bertelsmann Stiftung und initiierten eine "Amtsmeisterschaft". Kennzahlen zu finden ist ja kein Problem, man nimmt die durchschnittliche Durchlaufzeit eines Vorgangs. Hat man diese Zahlen erhoben, lässt sich ein Ranking erstellen, bei dem die schnellsten Amtstuben die vorderen Plätze belegen. Und dann?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Man veröffentlicht die Rangliste intern und stiftet auf diese Weise einen Austausch unter den betroffenen Verwaltungen an. Dieser soll dazu führen, voneinander zu lernen. Gute Idee. Nur ein echter Wettbewerb entsteht so noch nicht, argumentieren die Kritiker, da werden sich etliche gemütlich zurücklehnen und weiter wie gehabt agieren.

Also bleibt Möglichkeit 2: Man geht mit der Rangliste nach draußen, um so Druck durch Öffentlichkeit zu erzeugen. Auch das ist wohl kaum ein echter Wettbewerb, wer kann sich schon sein Finanzamt aussuchen. Aber dennoch: Auf diese Weise wird sicher deutlich mehr Konkurrenz geschürt: Guck mal, wie lahm die anderen sind! Beim nächsten Mal stehen wir aber ganz oben! Doch ach, auch hier melden sich Kritiker: Ein solches Ranking führt zu Manipulationen, einige Zahlen werden kaum freiwillig herausgerückt. Oder sie werden geschönt, da ist der Mensch erfinderisch.

Nebenwirkungen

So ist das mit solchen "Managementmethoden": Mit jeder Wirkung fängt man sich auch eine Nebenwirkung ein. Und wie immer sind dann die Führungskräfte gefordert. Im ersten Fall müssen sie die Lernprozesse einfordern und unterstützen. Im zweiten Fall müssen sie Manipulationen und Tricksereien aufspüren und verhindern. Welches ist die dankbarere Aufgabe?

Stiftung Bürgertest

Übringens: Würde "echter Wettbewerb" wirklich helfen? Bei der sich der Bürger aussuchen kann, bei wem er seinen Bauantrag stellt oder seinen Reisepass beantragt? Wenn das in der freien Wirtschaft so prima funkionieren würde - wozu brauchen wir dann eine Stiftung Warentest? Genau eine solche Instanz könnte die Alternative auch für die Ämter sein: Die Stiftung Bürgertest. Fordert zumindest einer der Experten.

Rezension zum Thema:
Selten so gelocht, Financial Times Deutschland 28.10.2009

Samstag, 21. November 2009

Führungskraft ohne fachliche Kompetenz?

"Eine Führungskraft muss anfangs nicht zwingend Ahnung vom Sujet ihres Ladens haben." Sagt der Leiter des Politikressorts der Financial Times Deutschland in einem Artikel über die scheinbaren Fehlbesetzungen im neuen Bundeskabinett. Da wird der Wirtschaftsminister zum Verteidigungsminister, der Verteidigungsminister zum Arbeitsminister, aus einem Gesundheitsexperten ein Umweltminister und aus einem Innenminister ein Finanzminister. Sieht nicht danach aus, als habe man zunächst eine Anforderungsanalyse erstellt und dann die geeignetsten Kandidaten ins Amt gehoben. Herr Theyssen findet das nicht schlimm (auch wenn gewisse Zweifel nicht zu überlesen sind). Schließlich gibt es in der Wirtschaft jede Menge Unternehmenslenker als Quereinsteiger, die vorher in einer völlig anderen Branche gewirkt haben. Funktioniert ja auch - manchmal jedenfalls.

Warum funktioniert es? Weil man als Führungskraft eben andere Qualitäten als Fachverstand braucht. Eine rasche Auffassungsgabe (um sich das Sachwissen dann doch anzueignen), Verständnis für Strukturen (um zu erkennen, an welcher Schraube man drehen muss) und den Blick für das große Ganze (da stört Detailswissen eher).

Und man braucht die richtigen Experten auf der nächsten Ebene, auf deren Einschätzung man sich verlassen kann. Eine wichtige Ergänzung dabei: Das funktioniert nur, wenn man aufgeschlossen genug ist, auf diese Leute zu hören. Soweit Herr Theyssen...

Ich habe so meine Probleme mit dem fehlenden Sachverstand. Es stimmt natürlich - an der Spitze einer großen Organisation kann man sich überhaupt nicht in jedem Detail auskennen - schon gar nicht, wenn der Konzern auf verschiedenen Gebieten tätig ist. Aber wie schwierig es ist, Akzeptanz in der Belegschaft zu gewinnen, wenn man offensichtlich keine Ahnung vom Geschäft hat, habe ich oft genug erlebt. Das einzige, was hier hilft, ist die Fähigkeit zum Zuhören. Und die habe ich bei vielen Managern nicht unbedingt wahrgenommen - die meisten erzählen lieber - oder besser: Sie predigen! Weil sie glauben, man könne am besten überzeugen, wenn man spricht. Eine Haltung, die leider auch bei Politikern stark verbreitet ist...

Wer zuhört, hat einen weiteren Vorteil: Er findet schnell heraus, auf welche seiner Experten er sich tatsächlich verlassen kann. Er erkennt ihre Zweifel, spürt, wenn sie sich sicher sind und vor allem: Er ermutigt sie, auch kritische Meinungen zu äußern. Es ist geradezu dramatisch, wenn jemand an die Spitze kommt und glaubt, sich keine Blöße geben zu dürfen. Er wird ganz schnell nur noch die Meinungen zu hören bekommen, die der seinigen zu entsprechen scheinen. Mit katastrophalen Folgen - in Wirtschaft und Politik...

Rezension zum Thema:
Kabinett der Fehlbesetzungen, Financial Times Deutschland 26.10.2009

Freitag, 20. November 2009

Kündigungsschutz für Chefs

Selbstständige Unternehmer kennen keinen Kündigungsschutz. Wenn das Geschäft nicht läuft, kommt kein Geld rein, da hilft kein Arbeitsrecht. Top-Manager sind zwar keine selbstständigen Unternehmer, aber Kündigungsschutz genießen sie dennoch nicht. Sie treffen unternehmerische Entscheidungen - unter anderem stellen sie Mitarbeiter ein und kündigen ihnen. Damit sind sie vor dem Gesetz leitende Angestellte. Ihnen den Stuhl vor die Tür zu stellen ist für den Arbeitgeber zwar nicht unbedingt billig, aber verhältnismäßig unkompliziert.

In den unteren Hierarchieebenen sieht die Sache anders aus. Bekanntlich kann man einem Mitarbeiter nicht mal so eben kündigen. Da hat man nach den Kriterien der Sozialauswahl vorzugehen, und wenn man sich schließlich doch trennt, ist eine Abfindung fällig, die sich am Monatsgehalt und der Anzahl der Jahre im Unternehmen orientiert.

Aber wo verläuft die Grenze? Rechtlich scheint das klar zu sein. Es gibt zwar viele Manager, die in der Hierarchie weit oben angesiedelt sind, aber einstellen und entlassen können sie damit noch lange nicht. Wenn der Arbeitgeber ihnen kündigen will, muss er richtig viel Geld auf den Tisch legen.

Kann ja gar nicht sein, sagen Kritiker. Ab einer bestimmten Einkommensklasse benötigt ein Manager nicht mehr den Schutz des Gesetzes. Als mögliche Grenze werden 150.000 Euro brutto genannt. Dem Argument könnte man sich anschließen. Bei diesen Größenordnungen sollte man Menschen zumuten, für solche Fälle selbst vorzusorgen. Der Einwand, auch solche Manager benötigten Planungssicherheit, wie ihn Berufsverbände vorbringen, ist albern. Zumal man ja nicht von heute auf morgen die Spielregeln ändern wird.
Was mir mehr zu denken gibt: Da erhalten Menschen ein derartig hohes Gehalt und haben weniger Entscheidungsbefugnisse als jeder kleine Unternehmer. Wenn Sie jemanden einstellen wollen, benötigen sie das Okay ihrer Vorgesetzten. Wie naiv ist da die Forderung nach unternehmerisch denkenden Mitarbeitern, wenn selbst in diesen Gehaltsklassen keine Entscheidungen getroffen werden dürfen. Was zu der Frage führt, wofür sie dann solche Einkommen erzielen.
Bleibt nur eine vernünftige Antwort: Es ist Schmerzensgeld...

Rezension zum Thema:
Sanfte Landung, Financial Times Deutschland 27.10.2009

Dienstag, 17. November 2009

Die ultimative Manager-Chart-Show

Warum ziehen uns Ranglisten nur so unwiderstehlich an? Die Sportfans lieben ihre Bundesliga-Tabelle, Weltranglisten und Sportler des Jahres-Wahlen, die Musikliebhaber starren auf eine Chartshow nach der anderen, inzwischen gibt es die absurdesten Formate nach dem Motto "Die 100 besten..." oder gar "Die 50 schlechtesten..." Es gibt Bestsellerlisten für Belletristik und Sachbücher, die Top-Ten der erfolgreichsten Filme usw. usw.

Nicht anders in der Wirtschaft. Wer ist in der Liste der reichsten Menschen der Welt von 1 auf 2 abgerutscht? Welche Hochschule hat es im Ranking der großen Zeitungen wieder auf Rang 1 gebracht?

Unternehmen werden nach alle möglichen Kriterien bewertet und in Ranglisten gepackt: Die innovativste Fabrik - Der beste Arbeitgeber - Die Top 50 bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze - Die besten Mittelständler - Die beliebtesten Arbeitgeber.

Worum geht es uns? Um den Vergleich? Wenn es denn wenigstens noch der Orientierung bei einer Entscheidung helfen würde. Diesen Sinn könnte man den Uni- oder Arbeitgeberrankings noch abgewinnen. Aber wem nutzt eine Tabelle der besten Unternehmenslenker? Die nämlich hat die Wirtschaftswoche veröffentlicht und dabei Linde-Chef Wolfgang Reitzle als Spitzenreiter gekürt.

Da fragt man sich doch, wie dieses Ranking zustande kommt, oder? Nun, die Berater von Kienbaum haben eine Befragung unter 63 Kapitalmarktprofis und renommierten Personalberatern durchgeführt, und die haben Schulnoten vergeben (wer gibt sich für so etwas her?)
Kriterien waren angeblich "Strategie- und Wachstumskompetenz, das Risiko- und Kostenmanagement oder Glaubwürdigkeit und Wertehaltung". Und dann hat man einen Numerus Clausus errechnet und Herrn Reitzle mit der Durchschnittsnote 1,94 auf Platz 1 gewählt, während der arme Herr Blessing von der Commerzbank nur knapp geschlagen von Telekom-Chef René Obermann auf dem letzten Platz landete. Ich würde doch zu gerne in der Kantine von Siemens sitzen und den Gesprächen von Mitarbeitern lauschen, deren Boss Peter Löscher den 3. Platz belegte. Ob sie sich über den Erfolg ihres Chefs freuen und auf ihn anstoßen? Oder die Ungerechtigkeit beklagen, weil er nicht ganz oben landete? Oder vielleicht eine gänzlich andere Meinung vertreten?

Ach ja, neben dem Ranking der "Experten" enthält die Rangliste natürlich auch die Reihenfolge der Vergütung. Da landet Herr Löscher dann doch auf Platz 1. Auch hier bildet Commerzbank-Chef Blessing das traurige Schlusslicht. Er wird beides verkraften...

Rezension zum Thema:
Radikal global, Wirtschaftswoche 42/2009

Dienstag, 10. November 2009

Storytelling

Kennen Sie das? Da meldet sich ein Experte zu Wort und erklärt uns, warum eine Strategie in die Hose gegangen ist und welche gravierenden Fehler gemacht wurden. Und Sie fragen sich: Wenn das so offensichtlich ist - warum hat man in dem Unternehmen dann so und nicht anders entschieden? So drängt sich der Verdacht auf, dass die Erklärung keine wirkliche Erklärung ist, sondern sozusagen ihre eine zwar plausible Schlussfolgerung darstellt, aber als Grundlage für zukünftige Entscheidungen wenig taugt.

Aktuelles Beispiel: Markenstrategen sollten gute Geschichten erzählen. Vor allem sollten sie den Kern der Geschichte, die eigentliche Story, nicht ohne Not antasten. Sie muss eine ganze Weile erzählt werden, damit sie im Gedächtnis der Menschen haften bleibt. Starke Marken haben gute Geschichten, bei denen man zwar an den "Kulissen" und "Requisiten" etwas ändern darf, aber eben niemals am Kern. So geschehen bei den Geschichten von Karstadt und Quelle. Sie standen für glaubwürdige Geschichten, die in unserem Gedächtnis verankert waren. Doch dann kamen die großen Strategen und erfanden das Kunstprodukt Arcandor, das wenig glaubwürdig war und die Glaubwürdigkeit der starken Geschichten von Karstadt und Quelle beschädigten.
Der Rest ist bekannt.

Da frage ich mich doch: Wenn die moderne neurologische Forschung so tolle Dinge über Storytelling herausgefunden hat - wieso wussten die Marketing-Berater von Middelhoff und Co. nichts davon?

Mag sein, dass das Kunstprodukt Arcandor keine gute Idee war, aber gescheitert dürfte es nicht an einer schlechten Geschichte sein...

Rezension zum Thema:
Die Story braucht Glaubwürdigkeit, acquisa 6/2009

Kundenbeiräte - eine gute Idee?

Die Postbank hat einen, die Deutsche Bahn hat einen, Vattenfall auch. Und nun auch die Commerzbank: Den Kundenbeirat. Was erhoffen sich die Unternehmen davon? Ist doch klar: Die Kunden sollen helfen, Service und Produkte zu verbessern. Ein guter Ansatz. Wer, wenn nicht der Kunde, kann einem Unternehmen sagen, wo es gut aufgestellt ist und wo es Verbesserungsbedarf gibt (wobei die Bahn vermutlich nicht viel mehr erfahren dürfte als dass sie vor allem pünktlich kommen sollte...)

Was ich mich dabei allerdings frage: Warum sollte sich ein Kunde bereit erklären, in so einem Gremium mitzuwirken? Ein Motiv könnte sein: Es ist schön, überhaupt gefragt zu werden, also wird man sicher erst einmal positiv überrascht sein. Dann bringt man sich mit seinen Ideen ein und freut sich, dass diese aufgenommen werden. Werden sie anschließend nicht umgesetzt, ist die Motivation schnell im Eimer. Und ich fürchte, so wird es den meisten Ideen ergehen. Oder können Sie sich vorstellen, dass der Kundenbeirat der Bahn so gravierend andere Dinge entdecken wird als Tausende der eigenen Mitarbeiter?

Werden sie umgesetzt, wird sich der Kunde früher oder später fragen: Was habe ich eigentlich davon? Vielleicht ein kostenloses Monatsticket? Ein kostenloses Girokonto? Vielleicht auch "nur" ein nettes Ambiente bei den moderierten Treffen? Hat jemand Erfahrung mit Kundenbeiräten? Wäre mal spannend zu hören, wie es ihm/ihr dabei ergangen ist und ob es irgendjemandem gelingt, einen solchen Beirat nutzbringend für alle Seiten zu etablieren und vor allem zu erhalten...

Rezension zum Thema:
Wenn die Idee vom Kunden kommt, acquisa 6/2009

Dienstag, 3. November 2009

Die wahren Auftraggeber

Ein Unternehmen setzt ein Führungskräftenachwuchsprogramm auf. Stand der Technik scheint zu sein, dass man nach der Auswahl der glücklichen Kandidaten mit einem Kick-Off beginnt, die Teilnehmer verschiedene Module durchlaufen und parallel oder gegen Ende des Programms ein Projekt bearbeiten. Zwischen den Modulen finden Coachings, kollegiale Beratungen, Kaminabende mit Vorständen etc. statt. Gravierende Unterschiede vermag ich in den vielen Veröffentlichungen zu dem Thema nicht zu erkennen, jeder PE-Abteilung möchte aber gerne zeigen, dass sie auch etwas zustande gebracht hat.

Grundsätzlich sehe ich solche Programme kritisch, vor allem wegen des "Goldfischteich-Charakters". Aber das ist ein gesondertes Thema. Was auffällt: Es wird verstärkt Wert auf Projekte aus dem richtigen Leben gelegt. Die Teilnehmer sollen ein Thema bearbeiten, das dem Unternehmen nutzt und sie selbst auch nach vorne bringt. Und natürlich soll es neben dem "normalen" Job bearbeitet werden. Dass das nicht immer gelingt, wird in einem Beitrag der Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2008 deutlich. Erfreulich ehrlich, sonst klingt es nämlich meist nach "alle sind glücklich".

Wer entscheidet über die Inhalte der Trainingsmodule? Erstellt man vorher ein Kompetenzprofil, das natürlich aus der Unternehmensstrategie abgeleitet wird und dann in Trainingsinhalte gegossen wird? Beurteilt man die Teilnehmer und leitet hieraus Entwicklungsnotwendigkeiten ab, um Qualifizierungslücken zu schließen? Fragt man die Teilnehmer, was sie denn für Qualifizierungsbedarfe haben?

Oder lässt man all das bleiben und überlässt es den Teilnehmern, mit den Trainern die Inhalte der Trainings abzusprechen? Das wäre doch mal innovativ, oder? Die Teilnehmer wissen, wo es im Alltag hakt, wo die Projekte stocken, die Kunden stören ... warum sollten sie nicht darüber entscheiden, was genau trainiert wird?

Utopisch. Offensichtlich nicht. Bei der N-ERGIE AG läuft das angeblich genau so ab. Dort haben bisher ca. 100 Nachwuchskräfte ein solche Programm durchlaufen. Vielleicht habe ich das mit der Selbstorganisation ja auch falsch verstanden, aber es heißt wörtlich: "Die Gruppe bestimmt ihren Lernbedarf und vereinbart mit den Trainern Lernziele. So wird sie zum Auftraggeber der Trainer."

Regelmäßige Leser des MWonline-Blogs werden sich denken, dass mir das Konzept zusagt. Es macht die Betroffenen zumindest in diesem Teil zu selbstständig Handelnden. Und ich muss natürlich schmunzeln, weil es offensichtlich auf den Anspruch verzichtet, in die Zukunft zu blicken und Kompetenzen vermitteln will, die angeblich in dieser Zukunft unverzichtbar sein werden. Vielmehr wird man hier darauf vertrauen müssen, dass die Menschen intelligent genug sind zu erkennen, was ihnen weiterhilft.

Rezensionen zum Thema:
Vom Backfisch zum Haifisch, Wirtschaftspsychologie aktuell 4/2008
Potenzial erschließen, Personal 3/2009

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Persönlichkeitstests und Journalismus

Um das vorweg zu schicken: Ich bin sehr vorsichtig, was Persönlichkeitstests angeht, erst recht, wenn sie als Ergebnis den Probanden bestimmten Typen zuordnen. Von wegen Schubladendenken, Vereinfachung und Stigmatisierung. Plötzlich gilt man als roter oder blauer Typ, als dominant oder gewissenhaft, als intro- oder extravertiert und für alle möglichen Aufgaben nicht mehr geeignet. Die Eignung oder fehlende Eignung mag zwar viel mit der Persönlichkeit zu tun haben, sie aber auf einen Typen zu reduzieren, dürfte Menschen selten gerecht werden.

Soweit teile ich die Kritik an "Typentests" und war ganz neugierig, als ich in einer Beilage der Financial Times Deutschland einen Beitrag über solche Tests las. Wissenschaftlern stünden die Haare zu Berge, hieß es dort. Und weiter über das HBDI (Herrmann Brain Dominance Instrument) - das ich nicht kenne - "Kein Wunder, dass HBDI bei einer Untersuchung von 23 Persönlichkeitstests durch die Stiftung Warentest auf dem vorletzten Platz landete."

Nanu, dachte ich, die Stiftung Warentest hat Persönlichkeitstests unter die Lupe genommen? Da hätte ich gerne gewusst, wie denn die mir bekannten Verfahren abgeschnitten haben. Ein MWonline-Leser schickte mir den Titel des Beitrags, es ging um Online-Tests zur Selbsteinschätzung. Das klang schon anders. Ich investierte 2 Euro und lud mir den Beitrag herunter. Erste Überraschung: Er stammt von März 2007, ein alter Hut also schon, und heißt: Eignungsprüfung im Netz. In der Tat wurden hier 23 Tests analysiert und bewertet, doch dann die zweite Überraschung: Es sind bei Weitem nicht nur Persönlichkeitstests, sondern auch Berufsinteressentests, Berufseignungstests und sogar ein "Fähigkeitentest".

Als nächstes staunte ich, dass die 23 Tests in 9 Tests für Jugendliche und 14 für Erwachsene unterteilt wurden - da konnte gar kein Verfahren den vorletzten Platz unter 23 belegen. Die Krönung aber ist: Der HBDI wird zwar als vorletzter Test aufgeführt, aber er schneidet mit der Note "befriedigend" besser ab als fünf andere Tests. Der Grund, warum er weiter hinten gelistet ist, wird auch erklärt: "Die Angebote von Herrmann Internation Deutschland ... umfassen zusätzlich zum Test eine persönliche Beratung. Sie sind daher nur bedingt mit den übrigen Tests vergleichbar. Deshalb haben wir sie in der Tabelle abgesetzt."

Noch einmal: Ich bin nach wie vor solchen Verfahren gegenüber sehr vorsichtig. Aber so wie in dem Beitrag der FTD mit Zitaten umgegangen wird, ist schlechter Journalismus. Da drängt sich der Verdacht auf, dass es gar nicht um eine kritische Bewertung geht. Worum dann?

Rezension zum Thema:
Beliebt, aber umstritten, Financial Times Deutschland vom 21.9.2009

Montag, 26. Oktober 2009

Über Fairness und Gerechtigkeit

Wenn Menschen sich vom Unternehmen fair behandelt fühlen, etwas als gerecht erleben, dann sind sie im Gegenzug auch bereit, sich für dieses Unternehmen zu engagieren, es praktisch "mit gleicher Münze heimzuzahlen". Banal? Eigentlich schon. Weshalb man sich angesichts der Forschung zu diesem Thema fragt, was es denn da noch zu forschen gibt. Aber gut, die Kollegen Sozialpsychologen sollen ja auch was zu tun haben.

Was passiert, wenn Menschen sich unfair behandelt fühlen? Erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Unternehmen ausnutzen, Dinge mitgehen lassen, Arbeitszeit stehlen, ihren Einsatz zurückfahren? Natürlich, sie werden versucht sein, die "erlebte Ungerechtigkeit" mit gleicher Münze "heimzuzahlen."

Wie in einer Studie eben jener Sozialpsychologen nachgewiesen. Dabei hatte man zwei Fabriken eines Unternehmens verglichen. In beiden hatte man Gehaltskürzungen verkündet. Aber während in der einen die Kürzungen ausführlich begründet und mit den Mitarbeitern diskutiert wurden (auch "informationale Gerechtigkeit" genannt), hatte man den Mitarbeitern in der anderen Fabrik die Entscheidung nur lapidar mitgeteilt.

In der Zeit unmittelbar nach der Informatione erfasste man die Lagerbestände. Oder besser: Den Schwund der Lagerbestände. Und siehe da: In beiden stieg die Zahl der "vermissten"
Gegenstände an. In der ersten Fabrik allerdings nur geringfügig, in der zweiten jedoch erheblich. Das, was man den Mitarbeitern "weggenommen" hatten, holten sich diese auf nicht legale Weise zurück. Allerdings jene, die sich anständig behandelt fühlten, nicht im gleichen Ausmaß. Sie fühlten sich offensichtlich verpflichtet, ebenfalls Anstand zu zeigen. Die meisten wenigstens.

Wer hat Schuld?

Als ich ähnlich einmal in einem Seminar mit Führungskräften argumentierte, entrüsteten sich diese: "Sie wollen doch nicht den Vorgesetzten die Schuld geben, wenn Mitarbeiter stehlen? So weit kommt es noch. Unzureichende Information darf doch keine Rechtfertigung für Diebstahl sein!"

Knapp daneben ist auch vorbei. Wie so oft wechseln viele in dieser Diskussion auf eine andere Ebene, nämlich auf die moralische: Ist es richtig, mit Diebstahl zu reagieren? Und wer hat hier Schuld? (Nebenbei bemerkt: Würde man diejenigen, die sich so aufregen, fragen, wie viele Steuertricks sie kennen, um Vater Staat ein wenig von dem vorzuenthalten, was dieser so unfair einsackt, würde man sicher manchen Experten finden.)

Natürlich ist es nicht richtig, auf erlebte Ungerechtigkeit mit einem Eigentumsdelikt zu reagieren. Aber was ist die Konsequenz? Das Lager mit Videokameras überwachen, eine Detektei engagieren und die Diebe auf frischer Tat ertappen?

Wer über gesunden Menschenverstand verfügt, weiß, dass es für fairen Umgang miteinander keine echte Alternative gibt.

Rezensionen zum Thema:
Fairness lohnt sich! Welche Bedingungen innovatives Verhalten fördern, Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2008
Erlebte Ungerechtigkeit: Warum Mitarbeiter ihr Unternehmen schädigen, Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2008

Sonntag, 25. Oktober 2009

Wertschätzung als Holschuld?

In einem Leserbrief in der managerSeminare 10/2009 schrieb ein Herr Jäger: "Wertschätzung ist eine Holschuld". Der Mitarbeiter sollte sich auf den Weg begeben, sich diese Wertschätzung bei seinem Chef abzuholen. Gemeint ist: Sie sich zu verdienen, und zwar durch Leistung. Bekommt er sie nicht, sollte er seinen Chef abwählen. Die Abteilung wechseln, das Unternehmen wechseln oder noch besser: Selbst Chef werden.

Der Brief bezog sich auf einen Artikel (Vom Wert der Wertschätzung), in dem es (wieder einmal) darum ging, dass Menschen Anerkennung benötigen, und dass es Aufgabe von Vorgesetzten ist, ihnen diese zu "gewähren". Also eine Bringschuld...

Ja, was denn nun? Herr Jäger möchte ein Buch mit dem provozierenden Titel "Ausgekuschelt" verkaufen, also provoziert er. Aber hat er nicht Recht?

Die Antwort lautet: Hängt vom Empfänger der Botschaft ab. Steht der Mitarbeiter vor mir und klagt, wie wenig Anerkennung er erhält, dann würde ich ihm wie Herr Jäger raten, sich die Wertschätzung zu verdienen und, wenn sie dennoch ausbleibt, versuchen, den Chef zu wechseln.
Spreche ich mit der Führungskraft, die sich über fehende Loyalität beklagt, würde ich ihr empfehlen, es mal mit Wertschätzung zu probieren.

Solchen Diskussionen begegne ich immer wieder. Der eine argumentiert mit Blick auf die Vorgesetzten und hält ihnen ihre Versäumnisse vor, der andere hat den Mitarbeiter im Blick und reibt ihnen ihre Opferhaltung unter die Nase. Eben alles eine Frage der Perspektive...

Gesetz der zwei Füße

Freuen Sie sich auf Besprechungen? Oder sind sie eher eine Last, weil sie Ihre Zeit stehlen? Stunden, die Sie sinnvoller verbringen könnten? In denen Sie stattdessen gelangweilt herumsitzen, frustlosen Diskussionen beiwohnen, sich über ständig wiederkehrende Argumente ärgern, und am Ende dann doch nichts entschieden wird?

In der Tat stöhnen viele Menschen über die Flut an Meetings, ohne etwas daran zu ändern. Dabei gibt es Literatur genug zu dem Thema, und die Ratschläge, wie man es besser macht, kennt man im Grunde alle: Eine sorgfältige Vorbereitung, Unterlagen vorher verteilen, Killerphrasen unterbinden, Störungen behandeln, die Redezeit begrenzen, Entscheidungen protokollieren usw. usw. Wer mehr davon sucht, ist in der MWonline-Ideenfabrik gut aufgehoben. Warum hilft all das dennoch nicht weiter?

Als ich zum ersten Mal von Open Space hörte, dachte ich: "Das ist es. Man sollte das Gesetz der zwei Füße überall verbindlich einführen." Bedeutet: Wer auf einer Besprechung das Gefühl hat, nicht wirklich zum Thema etwas beitragen zu können oder nicht Neues zu erfahren, der verlässt die Besprechung einfach und geht sinnvolleren Beschäftigungen nach. Wie schnell würde überflüssige Besprechungen aus der Welt verschwinden, wie rasch würde eine Besprechungskultur entstehen, bei der es nicht mehr vorkommt, dass die Teilnehmer so nebenbei ihre E-Mails bearbeiten oder ihre Unterlagen mit fantasievollen Figuren vollkritzeln.

Aber würde man wirklich gehen? Hätte man nicht vor dem Ranghöchsten Angst, wenn man mitten in seinem Statement den Raum verlässt? Und hätte man nicht das Gefühl, doch etwas Wichtiges zu verpassen, das vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt besprochen wird? Dazu müsste man einen konkreten Zeitplan haben, auf den man sich verlassen kann, was wiederum bedeuten würde, dass sich jemand die Mühe macht, die Sitzung genau vorzubereiten und anschließend auch darauf zu achten, dass sich alle an die Zeiten halten. Aber genau das geschieht ja so selten...

Es ist eigentlich ganz einfach: Wie so oft liegt es am Leiter, in der Regel der Vorgesetzte. Auch diese Rechnung ist nicht neu. Würde er zwei Stunden in die Vorbereitung investieren und sich anschließend strikt an seine eigene Tagesordnung halten, könnte er vermutlich jede Besprechung um die Hälfte kürzen. Damit hätte er zwar seine eigene investierte Zeit nicht unbedingt wieder reingeholt, aber multipliziert man die eingesparte Zeit mit der Anzahl der Teilnehmer, würde sich die Sache immer rentieren.

Ich kannte mal eine Führungskraft, die begrenzte ihre regelmäßigen Meetings auf eine Stunde und packte auch nie mehr Themen hinein, als sie in dieser Zeit bewältigen konnte. Eines Tages überzog sie eine Besprechung um 15 Minuten. Am Ende entschuldigte sie sich bei den Mitarbeitern, dass sie deren Zeit in Anspruch genommen hatte und sagte zu, die 15 Minuten beim nächsten Mal "zurückzuzahlen". Was sie tatsächlich auch machte - indem sie beim nächsten Mal nach 45 Minuten fertig war.
Kleinlich? Oder nur konsequent? Ich fand es einfach ungemein effizient und glaubwürdig, und die Mitarbeiter äußerten sich extrem respektvoll über ihre Chefin.

Übrigens: Seit ich selbstständig bin, habe ich nur noch ganz selten in Sitzungen meine Zeit totgeschlagen. Selbstständige untereinander tendieren offensichtlich dazu, ihre Zeit als kostbares Gut zu behandeln. Wenn Angestellte unter den Teilnehmern sind, ist das nicht unbedingt so...

Rezension zum Thema:
Eine Runde Mitleid, Wirtschaftswoche 38/2009

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Die Beziehung zum Vorgesetzten

Eigentlich bin ich es leid, die 500. Studie zum idealen Führungsverhalten zu lesen. Und tue es doch immer wieder. Vielleicht hoffe ich ja darauf, dass eines Tages jemand nachweist, dass Organisationen auch ohne Führung funktionieren und daher alle Ratgeber und Studien ab sofort überflüssig sind. Ein Scherz, keine Sorge, das Thema wird ein Dauerbrenner bleiben.

Die Universität Münster hat Mitarbeiter befragt, oder besser: Sie hat ihnen einen Fragebogen vorgelegt, mit dem sie

a) Verhaltensweisen ihres Vorgesetzten nach Häufigkeit,
b) sich selbst bezüglich ihrer Leistung, ihrer Zufriedenheit und ihrer Bindung zum Unternehmen einschätzen sollten.

Die Verhaltensweisen des Vorgesetzten im Fragebogen orientierten sich an bekannten Führungsstilen. Da gab es den transformalen, den transaktionalen, den ethischen, den aufgabenorientierten, den mitarbeiterorientierten usw.
Die Hypthese lautete: Es gibt einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Führungsstilen und der Leistung, der Zufriedenheit und der Bindung zum Unternehmen. Und tatsächlich kam genau das auch heraus. Den höchsten Zusammenhang zu allen drei "Erfolgskriterien" hatte der Führungsstil "Austauschbeziehung". Darunter ist zu verstehen, dass der Vorgesetzte vor allem Wert auf eine positive, authentische Beziehung zum Mitarbeiter legt. Ist das der Fall, dann stimmen auch Leistung, Zufriedenheit und Bindung.

Weitere Zusammenhänge gab es zur transformationalen Führung (hier geht es um Visionen und Change Orientierung) und zur ethischen Führung.

Wunderbar, denke ich. Da hätten wir also endlich den Beleg dafür, dass erfolgreiche Führung etwas mit der zwischenmenschlichen Beziehung zu tun hat. Da möchte ich am liebsten alle Zweifel an dem Aufbau solcher Studien beiseite schieben. Z.B. die Frage, ob Mitarbeiter, die die Beziehung zu ihrem Vorgesetzten positiv beschreiben, nicht zwangsläufig auch mit sich und ihrer Leistung zufrieden sind. Oder umgekehrt: Wer seine Aufgabe nicht mag, mit seiner Arbeit nicht zufrieden ist und keine Leistung bringt - kann so jemand gleichzeitig eine positive Austauschbeziehung zu seinem Chef haben?

Und gleichzeitig denke ich nicht zum ersten Mal: Wie banal. Stimmt die Chemie, stimmt alles andere auch. Wer hätte es gedacht...

Rezension zum Thema:
Eine Frage des Stils, Personalmagazin 8/2009

Montag, 19. Oktober 2009

Keiner arbeitet für den Bonus

Die Financial Times Deutschland hat fünf junge Banker ein Jahr nach der Lehman-Pleite gefragt, wie es ihnen den so ergeht. Sie waren sich einig: Die ständigen Anspielungen auf die hohen Boni der Banker nerven, zumal sie überhaupt nicht im Investment-Banking-Geschäft tätig sind. Kann man nachempfinden.

Interessant ist die Darstellung, was sie eigentlich motiviert hat, in dieser Branche zu arbeiten. Spannend sei es, total interessant und reizvoll. Die Stimmung würde sie faszinieren, man sei am Puls des Marktes. Den meisten würde - wie ihnen - der Job einfach nur Spaß machen. Glaube ich ihnen auch.

Einer von ihnen behauptet, niemanden zu kennen, der den Job nur wegen der Boni macht. Mmmh... worauf liegt hier die Betonung? Beim schriftlichen Wort schwer zu erkennen. Auf dem "nur"?
Wenn er Geschichten über gierige Bonibanker liest, frage er sich immer: "Wo sind die eigentlich alle?"

Als mein Sohn klein war, wollte er unbedingt den Rasen mähen. Das war spannend, aufregend, das Klappern und Rattern faszinierte ihn. Später hat er überlegt, ob er nicht anderen Leuten anbieten könne, ihren Rasen gegen einen angemessenen Betrag zu mähen. Den Plan hat er wieder fallen gelassen. Aber ich glaube, hätte er ihn umgesetzt und wirklich Geld damit verdient - er hätte wohl kaum behauptet, er mache den Job, weil er das Klappern und Rattern faszinierend findet.

So ist das nun mal: Wir können etwas höchst spannend und interessant finden und mit Begeisterung ausüben. Werden wir dafür fürstlich entlohnt, kann dieser Reiz durchaus schnell an Stelle des alten treten. Wäre mal eine Untersuchung wert: Investment Banker zu fragen, ob sie den gleichen Job für ein durchschnittliches Fixgehalt eines "normalen" Angestellten ausüben würden...

Rezension zum Thema: Generation Leman, Financial Times Deutschland 15.9.2009

Dienstag, 6. Oktober 2009

Wer braucht noch Führungskräfte?

Die Zeiten haben sich geändert. Führungskräfte haben im Grunde keine wirkliche Funktion mehr. Die Ziele werden nicht vereinbart, sondern von oben vorgegeben. Der Vorgesetzte darf sie noch verkünden, keine tragende Rolle. Die Kontrolle der Ergebnisse? Auch keine Aufgabe für Führungskräfte mehr. Tagesgenaue Zahlen erhält das Controlling auf Knopfdruck, so weiß am Abend die Unternehmensleitung, was jeder einzelne geleistet hat.

Die Sache hat auch etwas Positives: Druck machen muss der Vorgesetzte auch nicht mehr, erledigt sich von selbst, wenn die Zahlen nicht stimmen. Und er muss sich auch keine Gedanken mehr über das Gehalt seiner Mitarbeiter machen, das richtet sich allein nach den Ergebnissen. Wozu aber ist sie dann noch da, die Führungskraft?

Nein, das ist weder Polemik noch Satire, sondern fast wörtlich aus einem Artikel über ein Verkaufstraining bei der Hypo Vereinsbank.
Zitat: "Eine Führungskraft einer Bank (wie in vielen anderen Branchen auch) muss heute nicht mehr dafür sorgen, dass oder wie gearbeitet wird. Es gibt schon so viel Druck durch die organisatorischen Bedingungen und die Arbeitsgestaltung, dass dies nicht die primäre Aufgabe einer Führungskraft ist."

Eine neue Aufgabe: Coaching

Da haben sich die Verantwortlichen den Kopf zerbrochen und herausgefunden, dass es doch noch eine sinnvolle Verwendung für die Positionsinhaber gibt: Sie werden zu Coachs umgeschult. Als solche begleiten sie den Mitarbeiter mit Fragetechniken, zeigen Neugier, geben maximal Ratschläge, und das regelmäßig, aber jeweils kurz. "Sonst wird das Thema totgeredet und Motivation zerstört."

Damit hat sich also das leidige Thema "Führung" endlich erledigt. Vergessen Sie alle Führungsratgeber, Lehrbücher, Seminare und Kongresse. Stellen Sie ab sofort nur noch Coachs ein. Die müssen auch nicht ständig präsent sein, die "Coachingspanne" darf bestimmt weitaus größer sein als die Führungsspanne. Den Autoren von der Hypo Vereinbank gebührt unser aller Dank! Und der Personalwirtschaft ein Preis für innovative, vor allem aber ehrliche Beiträge!

Rezension zum Thema:
Der Krise den Schrecken nehmen, Personalwirtschaft 6/2009

Montag, 5. Oktober 2009

Wohl wahr

Kürzlich habe ich lange mit einen Jugendlichen gesprochen, der auf der Suche nach seiner Berufung war - und der einfach keine Idee hatte, was er denn nun machen sollte. Ein Fazit des Gespräch lautete: Anfangen, egal womit! Niemand kann heute mehr vorhersehen, welchen Beruf er in Zukunft einmal ausüben wird - wobei der Begriff "Beruf" schon irgendwie nicht mehr passt.
Daran erinnerte ich mich, als ich in der Brand eins 9/2009 (Die Autonomen, S. 112) den Satz las (sinngemäß): "Das Leben ist zu lang für nur einen Beruf."

Vom Unterschied zwischen Unternehmern und Managern

Worin besteht der Unterschied zwischen einem Unternehmer und einem Manager? Zitat: "Als Unternehmer hätte ich kein schlechtes Gewissen, morgens zwei Stunden in einem Café zu sitzen und nachzudenken. Da zählt nur die unternehmerische Leistung, und die muss stimmen. Als Manager hätte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich Beispielfunktion habe." (Jürgen Großmann in einem Interview der Brand eins, 9/2009 S.24)

Sonntag, 4. Oktober 2009

Erschütternd


Ein erfolgreicher Unternehmer wechselt an die Spitze eine großen Konzerns und macht höchst interessante Erfahrungen. Die Rede ist von Jürgen Großmann, der aus einem hoch verschuldeten Unternehmen ein profitables Konglomerat aus 52 mittelständischen Betrieben machte und dann an die Spitze der RWE wechselte. Unabhängig von der Frage, was einen Unternehmer dazu treibt, in ein Angestellten-Dasein zu wechseln (denn nichts anderes ist auch ein Vorstandsvorsitz, wie Großmann selbst sagt: "Die Macht eines Vorstandsvorsitzenden wird überschätzt."), die mich schon interessiert hätte, finde ich einige Aussagen in einem Interview in der Brand eins höchst unterhaltsam.

Großmann stellt fest, dass er nach einem längeren Auslandsaufenthalt (fünf Tage Roadshow in den USA) an seinen Schreibtisch zurückkehrt und dort einen 40 cm hohen Stapel Papier vorfindet. Unterlagen, die ihm sein Stab zur Entscheidung vorgelegt hat. Er ist verärgert, weil diese hoch bezahlten Manager so viel Verantwortung an ihn zurück delegieren. Da kann man sich vorstellen, wie diese erwachsenen Menschen erzogen wurden, oder?

Dann kommt es aber so richtig dick. Großmann freut sich: "Eine der schönsten Erfahrungen hier im Haus ist, dass meine Kollegen und Mitarbeiter mittlerweile auch kontroverse Positionen einnehmen." Sensationell! Da freut sich ein Vorstandsvorsitzender, dass seine Kollegen eine eigene Meinung vertreten. Wohlgemerkt, die Rede ist hier von Konzernvorständen! Auf Nachfrage gesteht er ein, "dass eine eigene Meinung nicht immer belohnt wurde."

Wer die hehre Vorstellung hatte, dass auf Vorstandsebenen selbstständiges Denken gewünscht und gefordert wird, wird hier eines Besseren belehrt. Erschütternd? Auf jeden Fall. Dort herrscht offensichtlich klassisches Hierarchiedenken bis zum absoluten Gehorsam. Zivilcourage? Fehlanzeige. Nur einer bestimmt die Richtung, der Rest schweigt und knallt die Hacken zusammen. Da werden dramatische Fehlentscheidungen verständlich, wer nach Ursache für Wirtschaftskrisen sucht, sollte hier ansetzen.

Rezension zum Thema:
Es interessiert mich nicht, wer gegen mich intrigiert. Brand eins 9/2009

Mittwoch, 30. September 2009

Führung am eigenen Leib erleben?

Wer andere führt, sollte wissen, wie es sich anfühlt, "geführt zu werden". Deshalb steckt man Führungskräfte in Trainings, wo sie im Wechsel die Rolle des "Führenden" und des "Geführten" übernehmen. Sie wandern "blind" im Raum herum und müssen den Kollegen vertrauen, die sie um Hindernisse "herumführen" oder ihnen Anleitungen zum Bewältigen komplexerer Aufgaben geben. Oder sie klettern auf Bäume und Gerüste und müssen sich dabei voll und ganz auf andere verlassen, ohne deren Hilfestellung sie "abstürzen" würden.

Auf diese Weise lernen sie, sich in die Rolle der Geführten hineinzuversetzen, ihre Motive und Gefühle nachzuvollziehen und zu erkennen, was diese brauchen, um die geforderten Aufgaben im Sinne des gemeinsamen Ziels zu bewältigen. Sie lernen, wie wichtig Wertschätzung, klare Information, die Übertragung von Verantwortung, aber auch das Durchsetzen von Konsequenzen sind.

Was mich bei all dem schon lange wundert: Welcher "Führende" ist denn nicht selbst ein "Geführter"? Oder hat Führung nicht schon lange am eigenen Leib erlebt? Wie kann es sein, dass er erst in einem Seminar erkennt, wie sich "Führung anfühlt"? Hat er die gleiche Situation nicht tagtäglich vor Augen, wenn sein eigenen Chef mal wieder jede Wertschätzung vermissen lässt, hineinregiert, Konsequenzen nur ankündigt, aber nicht umsetzt? Wieso lernen wir nicht von diesen Vorbildern, sondern brauchen hierzu Outdoor-Trainings und Rollenspiele?

In meiner Zeit als Trainer habe ich einmal in einem Planspiel eine Führungskraft erlebt, die die "Mitarbeiter" so richtig "lang gemacht" hat. Da wurde herumkommandiert, mit ironischen Bemerkungen die Motivation zerstört und alles getan, um zu demonstrieren, wer das Sagen hatte. Bei der anschließenden Auswertung und der Rückmeldung durch seine Kollegen fiel der Satz: "Ich habe jahrelang die Schikanen meiner Vorgesetzten ertragen, jetzt, wo ich es endlich geschafft habe, auf die Stelle zu kommen, bin ich an der Reihe. Warum soll es meinen Mitarbeitern anders ergehen als mir?"

Ich weiß noch, dass dies einer der (wenigen) Momente war, in denen mir die Worte fehlten. Und in dem ich Anhänger der Idee wurde, bei der Auswahl von Führungskräften wesentlich genauer hinzuschauen, wem man Verantwortung für andere Menschen überträgt. Mit Seminaren und Outdoortrainings beißt man sich hier die Zähne aus...

Rezension zum Thema:
Hilft macht stark, managerSeminare 9/2009

Montag, 28. September 2009

High Potentials für das Personalwesen?

Wie schafft es der Personaler, bei seinen Managementkollegen anerkannt zu sein? Da haben wir das erste Problem: Das Management sieht ihn wahrscheinlich gar nicht als Kollegen. Das kann er nur ändern, wenn er eine wesentliche Kompetenz demonstriert, das sogenannte "Business Acumen" (Geschäftsverständnis). Anders ausgedrückt: Wenn die Manager über ihr Geschäft reden, dann soll er mitreden können. Kann er aber nicht, wenn er den Weg über die klassische Personalerkarriere gemacht hat - vom Sachbearbeiter zum Gruppenleiter zum Personalleiter z.B. So was nennt sich "Kaminkarriere".

Vorschlag von Beratern: Man sollte den Personalabteilungsmitarbeitern, bevorzugt natürlich High Potentials, die Möglichkeit geben, eine WeileVerantwortung im operativen Geschäft zu übernehmen. Anschließend sollten diese Talente wieder zurückkehren ins Personalmanagement, dann können sie wirklich mitreden.

Dazu eine eigene Erfahrung. Ich bin in meiner "Konzernlaufbahn" im Rahmen eines Mitarbeiterentwicklungsgespräches mal gefragt worden: "Welche Position könnten Sie sich denn so in einigen Jahren vorstellen?" Meine erste Antwort (als Mitarbeiter in der Personalentwicklung): "Ich würde gerne mal Führungskräfte vor Ort coachen, sie bei ihrem Alltagsgeschäft begleiten und ihnen Rückmeldung über die Wirkung ihres Verhaltens geben."

Falsche Antwort. "Eine solche Position haben wir doch gar nicht." - "Ich weiß, aber Sie haben mich doch gefragt. Das wäre eine, die mich interessiert."

Gemeint war mit Position jedoch eine Stelle im Organigramm, was ich schon befürchtet hatte. "Naja, ich hätte da schon eine Idee. Ich könnte mir vorstellen, mal die Leitung eines Produktionsbetriebes zu übernehmen." Fassungsloses Schweigen. "Wenn Physiker, Ingenieure oder Betriebswirtschaftler mit ihren Kenntnissen die Produktion leiten können, warum soll dazu nicht auch ein Psychologe in der Lage sein? Die einen haben Ahnung von der Technik oder den betriebswirtschaftlichen Zahlen, ich kenne mich aus mit Menschen. Und davon gibt es in der Produktion doch genug."

Kopfschütteln. "Völlig illusorisch, so etwas hat es noch nie gegeben."

Wer weiß, was aus mir geworden wäre, hätte ich diese Gelegenheit bekommen. Ob ich zurück ins Personalwesen gegangen wäre? Ich fürchte eher nein. Vielleicht lässt man Personaler auch deshalb nicht in operative Bereiche wechseln - sie würden vermutlich nicht wiederkommen.

Rezension zum Thema
Mitten hinein ins Business, Personalmagazin 7/2009

Mittwoch, 23. September 2009

Fair und erfolgreich?

In einem Interview in der Wirtschaftswoche behauptet der Chef von dm, Erich Harsch, ihm seien "Unternehmen suspekt, die Umsatzrenditen von zehn Prozent und mehr erwirtschaften." Bei diesen stünde Eigennutzen offensichtlich vor Kundennutzen.

Kann man so sehen, oder? Wer 15% Rendite erzielt, statt seine Dienstleistungen bzw. Produkte günstiger anzubieten, der könnte seinen Kunden offensichtlich ganz andere Preise bieten, würde er nicht an seinen eigenen Geldbeutel bzw. den der Eigentümer denken.

Die Interviewer können es kaum glauben und fragen ironisch nach, ob denn bei dm ausschließlich das Wohl der Kunden im Vordergrund stehe?

Schlaue Antwort: "Wir vertrauen einfach darauf, dass unser Eigennutzen als Folge des Kundennutzens nicht zu kurz kommt." Keine schlechte Philosophie, die im Fall der Drogerie-Märkte die Konkurrenz mächtig unter Druck setzt, denn offensichtlich genügen dm geringe Margen, um weiter zu expandieren. Die Sache mit dem Eigennutzen als Folge des Kundennutzens scheint also auch marktwirtschaftlich zu funktionieren.

Rezension zum Thema:
Es ist viel unbequemer. Wirtschaftswoche 33/2009

Montag, 21. September 2009

Gute Gründe für einen Auslandseinsatz?

Was ist ein guter Grund, Mitarbeiter ins Ausland zu entsenden? Soeben habe ich gelesen, dass es zwei Gründe gibt:

  1. Entwicklung globaler Führungsqualitäten bzw. künftiger "Key Player"
  2. Know how weitertragen.
Kein guter Grund sei es, eine lokale Lücke in der Nachfolge zu schließen, denn damit dokumentiere man nur, dass keine wirkliche Mitarbeiterentwicklung vor Ort erfolgt ist, was zur Frustration der lokalen Mitarbeiter führt.

Einverstanden, der zweite Grund ist nachvollziehbar: Ein Mitarbeiter wird ins Ausland geschickt, wenn dort das benötigte Wissen nicht vorhanden ist. Er gibt dieses Wissen weiter und kehrt dann in die Zentrale zurück.

Bei dem zweiten Grund aber habe ich so meine Zweifel. Wie soll das funktionieren? Der Konzern braucht in Zukunft international erfahrene Führungskräfte. Die Kandidaten sollen systematisch entwickelt werden, dazu erstellt man Richtlinien, die z.B. besagen, dass ein Mitarbeiter mindestens in zwei Ländern in zwei Funktionen bzw. Bereichen tätig gewesen sein sollte, ehe er in höhere Ebenen aufsteigt. Im Ausland sollen sie dazu ihre "Leadership-Qualitäten" ausbauen.

Ich glaube, diese Vorgehensweise ist in den meisten Fällen eher ein frommer Wunsch der Personalentwickler. Wenn es ihnen gelingt, diese Idee in die Praxis umzusetzen, dann freuen sich vor allem die Mitarbeiter im Ausland: "Da kommt wieder einer, dem wir beibringen sollen, wie man Menschen führt." Helle Begeisterung. Ich stelle mir vor, die Kollegen aus der Personalabteilung bekommen in regelmäßigen Abständen einen neuen Vorgesetzten, der von der ausländischen Tochter in die Zentrale wechselt, um dort zu lernen, wie man richtige Personalarbeit betreibt.

In der Praxis sieht es wohl ohnehin meist anders aus. Da nämlich fällt plötzlich an einer wichtigen Position jemand aus und nun muss dringend ein erfahrener Kollege einspringen. Von wegen konsequente lokale Mitarbeiterentwicklung. Und von langfristigen Entwicklungsplänen, bei denen auch die Folgepositionen nach dem Auslandsaufenthalt geklärt sind, ist in der Regel auch wenig zu sehen.

Wer es Ernst meint mit der "Entwicklung globaler Führungsqualitäten", der sollte sich verabschieden vom "Auslandseinsatz als Personalentwicklungsmaßnahme", sondern stattdessen die richtigen Leute in die geeigneten Positionen bringen und sich anschauen, wie sie sich dabei bewähren. Dabei sollte es egal sein, ob jemand aus dem Ausland in ein anderes Ausland wechselt oder in die Zentrale oder von dieser ins Ausland - entscheidend sollte die Aufgabe sein.
Zu einfach gedacht?

Rezension zum Thema:
Sieben Tipps zum Auslandseinsatz, Personalmagazin 7/2009

Dienstag, 15. September 2009

Seriengründer werden?

Das kam mir doch arg vertraut vor: Viele (Konzern-)Manager spielen mit dem Gedanken, sich aus ihrem Unternehmen zu verabschieden und als Unternehmensgründer neu anzufangen. Doch ach, da gibt es viele Gründe, die Finger davon zu lassen: Es fehlen noch einige wichtige Kenntnisse und Erfahrungen, die Kinder sind noch zu klein, die Finanzierung ist noch unklar, die aktuelle Aufgabe ist noch nicht abgeschlossen. Und dann kommt die nächste Aufgabe, die nächste Funktion und plötzlich ist man Mitte 40 und kommt zu der Erkenntnis, dass man sich doch viel früher hätte entschließen müssen. Nun scheint es zu spät zu sein.

Blödsinn, ist es nicht. Klar, eine "Unternehmerkarriere" macht man vielleicht nicht mehr. Was das ist? Man gründet ein Unternehmen, baut es auf und vergrößert es und steigt dann wieder aus, um das nächste zu gründen. Man wird praktisch zum Seriengründer. Aber ist das ein Ziel? Wird hier nicht nur die Konzernkarriere übertragen - einen Job machen, um spätestens nach fünf Jahren weiter zu ziehen, weil man das unter Karriere zu verstehen hat?

Das habe ich ohnehin noch nie verstanden, diesen Zwang zum Wechsel. Dass nur derjenige etwas wird, der von einem Job zum nächsten hüpft. Dann hat Bill Gates keine Karriere gemacht, weil er einfach viel zu wenig flexibel und mobil war. Und jeder Familienunternehmer ist gescheitert - karrieretechnisch gesehen - egal, wie erfolgreich sein Unternehmen ist.

Erinnert mich an die Gegenfrage eines Teilnehmers in einem Nachwuchsförderungsprogramm auf die Frage, wo er sich denn in fünf Jahren sieht: "Muss ich denn unbedingt eine andere Position anstreben? Ich fühle mich wohl dort, wo ich bin und kann da noch viel bewegen."

Und wann steigt man nun sinnvoller Weise aus, um ein Start up zu führen? Es stimmt, wenn man auf den perfekten Zeitpunkt wartet, dann wartet man wohl vergeblich. Ansonsten ist jeder Moment geeignet - man muss es nur tun.

Rezension zum Thema:
Sie planen ein Start-up? Sputen Sie sich, Harvard Businessmanager 3/2009

Montag, 14. September 2009

Nützliche Tandems

Aufgefallen ist es mir schon häufiger, aber noch nie so geballt wie diesmal. Gleich mehrere Beiträge in der Ausgabe 5/2009 der Personalwirtschaft wurden von einem Berater zusammen mit einem Vertreter bzw. einer Vertreterin des Unternehmens verfasst, in dem das jeweilige Projekt durchgeführt wurde. Das ist an sich keine schlechte Idee, denn reine Berateraufsätze hinterlassen in der Regel schon mal das Gefühl, hier wird jede Menge Werbung betrieben für Produkte, von denen man nicht weiß, ob sie jemals in einem Unternehmen zum Einsatz gekommen sind.

Ist der Co-Autor jedoch der zuständige Personaler oder gar der Geschäftsführer des Kunden, dann zeigt das zumindest, dass es sich hier um ein "echtes" Projekt handelte. Besser werden die Artikel deswegen noch lange nicht, und wer hofft, konkrete Erfahrungen bzw. Ergebnisse mitgeteilt zu bekommen, der hofft meist vergebens. Was das Misstrauen des Rezensenten dann erst recht entfacht ist die Tatsache, dass - nicht in unmittelbare Nähe zum Beitrag - gleich zwei der Beratungsfirmen hübsche Anzeigen für ihre Leistung platzieren. Von wegen unabhängige Fachredaktion...

Rezension zum Thema:
Auf das Ziel konzentrieren / Der Persönlichkeit auf der Spur / Know-how holen, wie man es braucht, Personalwirtschaft 5/2009

Sonntag, 13. September 2009

Legal oder legitim?

Mit dem Begriff "Compliance" tue ich mich schwer, muss immer wieder bei Wikipedia nachschauen, was man darunter versteht. Es soll ihn auch in Deutsch geben: Komplianz. Nun denn...

Es geht um die Einhaltung von Regeln, im Zusammenhang mit Wirtschaft offensichtlich darum, die Einhaltung von Regeln zu überwachen. Also leisten sich Unternehmen (bzw. müssen sich leisten) Abteilungen, die sich überlegen, wie man Menschen dazu bringt, die aufgestellten gesetzlichen, aber auch die internen Regeln einzuhalten bzw. die Einhaltung zu überprüfen. Bisher war ich immer der Meinung (und bin es auch heute noch), dass dies Aufgabe von Führungskräften ist. Offensichtlich aber sind diese damit überfordert, was nicht unbedingt an ihnen selbst liegen muss. Vielmehr ist das Regelwerk offensichtlich so komplex und unübersichtlich geworden, dass eine Führungskraft gar keine Chance mehr hat zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Da reicht der gesunde Menschenverstand offensichtlich nicht mehr aus.

Ein Beispiel: In einem Produktionswerk beobachteten wir, wie Arbeiter eine Anlage demontierten, reinigten und wieder zusammen setzten. Die Art und Weise, wie sie dies taten, sah reichlich improvisiert und alles andere als sicher aus. Wir lasen uns die vorhandene Anleitung durch und siehe da, hier was der Ablauf ein völlig anderer. Daraufhin angesprochen, zeigte sich der Verantwortliche völlig überrascht und meinte, diese Anleitung hätte er noch nie gesehen. Abgesehen davon sei sie so kompliziert, dass man damit niemals im vorgegebenen Zeitrahmen den Auftrag würden durchführen können. Naheliegend anzunehmen, dass auch viele andere Vorschriften kaum geeignet sind, menschliches Verhalten wirkungsvoll zu steuern.

Und dann gibt es die Fälle, in denen eine Vorschrift überflüssig ist und die menschliche Vernunft völlig ausreichen sollte. Nämlich dann, wenn etwas vielleicht legal ist und allen Gesetzen entspricht, dennoch einfach nicht in Ordnung ist. Ich erinnere mich an den Versuch des Fußballvereins Borussia Dortmund bzw. seines damaligen Managers Meier, der beim Gehalt seiner Profis sparen wollte, indem er ihr Wirken am Samstag und Sonntag als Wochenendarbeit deklarierte und damit steuerliche Vorteile nutzen wollte. Rechtlich offensichtlich machbar, also legal. Aber auch legitim? Prof. Hilb unterscheidet hier zwischen "Legal Compliance" und "Ethical Compliance". Ich finde, bei jeder Entscheidung sollte die zweite Frage, nämlich "Macht man so etwas?" zuerst gestellt werden - dann erübrigen sich manche Fragen nach dem "Darf man das?" von selbst.

Habe übrigens versucht, die Geschichte von Borussia Dortmung und der Wochenendarbeit über Google zu finden, ist mir nicht gelungen. Kann mir jemand helfen?

Rezension zum Thema:
Sehnsucht nach dem gesunden Menschenverstand, Personalwirtschaft 5/2009

Inzwischen habe ich einen Hinweis auf die Geschichte der am Wochenende arbeitenden Profi-Fußballer erhalten. Danke an Jörg Hübner.

Dienstag, 8. September 2009

Weltverbesserung als Geschäftsmodell?

Ganz ausgestanden ist das Thema "Kernkompetenz" ja wohl noch nicht. Einem Unternehmen, das Computer, Festplatten und Software vertreibt und betreut, würde man vermutlich bescheinigen, dass es sich auf seine Kernkompetenzen konzentriert. Was aber, wenn dieses Unternehmen plötzlich verkündet, es sei dafür da, die Welt ein Stück besser zu machen? Dass man sich nun um Lösung der wichtigen Menschheitsprobleme kümmern wird und für sauberes Wasser, eine bessere Gesundheitsversorgung, weniger Verkehr und effektivere Energiespeicher zuständig ist?

Ich muss gestehen, der Gedanke gefällt mir. Verbesserung der Welt als Geschäftsidee, auch wenn das eher so klingt wie das Programm einer Öko-Partei. Aber kann man davon wirklich Mitarbeiter bezahlen, Aktionäre befriedigen, Analysten überzeugen?

Das Unternehmen, von dem hier die Rede ist, kann es offensichtlich. Es heißt IBM und sein Vorstandschef behauptet, das neue Leitbild sei keine reine Imagekampagne, sondern ernst gemeint.

Klar: Zur Differenzierung von der Konkurrenz reichen Leitsätze wie "Wir lösen die wichtigsten Menschheitsprobleme" wohl kaum, da muss noch was hinzukommen. Aber mal angenommen, als Maxime würde dies tatsächlich allen unternehmerischen Handelns zugrunde gelegt - wäre doch kein schlechtes Entscheidungskriterium bei der Frage, in welche Felder man investieren will und in welche nicht.

So wie Jack Welch bei GE fragte: "Sind wir die Nr. 1, 2 oder 3 am Markt?", um zu entscheiden, ob ein Bereich fortgeführt wurde, so könnte man hier fragen: "Löst diese Anwendung ein Problem der Menschheit?"

Ob bei IBM Entscheidungen auf diese Weise getroffen werden, mag man anzweifeln. Aber mal angenomme, es wäre ein Ausschlusskriterium - der Gedanke ist doch nett, oder?
Ja, ich weiß - Gutmensch....

Rezension zum Thema:
Die Welt verschönern, Wirtschaftswoche 31/2009

Sonntag, 6. September 2009

Sie sündigen wieder

Verstehe ich das richtig? Der Staat rettet erst die Banken mit Milliarden. Dafür müssen sich die Regierungen Geld durch den Verkauf von Anleihen am Kapitalmarkt besorgen. Und wer ist für diese Geschäfte zuständig? Eben jene Banken. Die wiederum brauchen für das Geschäft entsprechendes Personal, nur das beste, versteht sich. Also locken sie mit Millionen die Banker an bzw. werben sie bei der Konkurrenz ab - woran wiederum auch die Headhunter prächtig verdienen.

Da die Öffentlichkeit nicht sonderlich begeistert ist, wenn wieder von fetten Boni die Rede ist, hilft man sich mit einem Trick: Man hebt die Fixgehälter drastisch an. Ohnehin waren viele Boni in der Vergangenenheit ja sogenannte "Garantie-Boni" - ein Widerspruch in sich.

All das löst zwar den Ärger bei der Konkurrenz aus, die ohne Staatshilfe zurecht gekommen ist, aber es ändert nichts. Das System scheint unverändert. Zitat eines Analysten: "Sie beginnen wieder zu sündigen."

Verstehe durchaus, wenn ernsthafte Menschen fordern, die Gehälter von Bankern nach oben zu begrenzen. Besser wäre es allerdings, das gesamte System in Frage zu stellen. Aber das will niemand ernsthaft, oder?

(Quelle: Tim Bartz: Schöner Schein, Financial Times Deutschland, 16.7.2009, S. 23)

Oberschlaue Berater

Ein Kommentar in der Financial Times Deutschland, der mich fassungslos macht. Da verraten uns Berater von der Boston Consulting Group, dass variable Vergütungen für Manager neu gestaltet werden müssen. Nein, das Instrument an sich stellen sie nicht in Frage, schließlich müssen wir ja die Besten in Deutschland halten, sie laufen uns ja weg, wenn wir ihnen keine Chance auf einen Millionenverdienst bieten.

Und dann kommen so tolle Tipps wie: Die Boni sollen sich an langfristigen Entwicklungen orientieren, an Kennzahlen, die tatsächlich von den Managern beeinflussbar sind und nicht von zufälligen konjunkturellen Entwicklungen abhängen und vor allem, dass es auch "negative Boni" geben muss. Das soll dann so funktionieren, dass die Boni in einer Bonusbank verwahrt werden und wenn es schlecht läuft, entsprechend gekürzt werden.

Nun bleiben wir doch mal einen Augenblick streng logisch. Also: Manager werden angestellt, sollen aber wie Unternehmer und Investoren das Risiko tragen? Wenn ich Unternehmer werden will, dann lasse ich mich doch nicht anstellen, oder? Dann werde ich Unternehmer. Soll heißen: Bezahlt Manager ordentlich, aber mit einem Festgehalt, wie sich das für Angestellte gehört.

Geht nicht, weil sie dann aus Deutschland ausreißen? Wenn das so ist, dann ist der Vorschlag mit dem "negativen Bonus" doch totaler Quark. Dann müsste das doch international eingeführt werden, sonst geht nach dieser Logik niemand zu einem (deutschen) Unternehmen, wenn woanders auf einen "Malus" verzichtet wird.

Und schließlich, was mir die Zornesröte ins Gesicht treibt: Berater, die sich strikt weigern, erfolgsabhängige Verträge abzuschließen, erzählen ihren Kunden was über erfolgsabhängige Vergütung und Beteiligung am Risiko. Oh Mann....

Rezension zum Thema:
Lohn für echte Leistung, Financial Times Deutschland, 14.7.2009

Freitag, 4. September 2009

Fangfrage des Monats

Die "MWonline-Fangfrage" des Monats: Einmal angenommen, Sie haben einen Tag Urlaub und spielen Golf oder gehen mittags nett essen. Dabei erblicken Sie den Leiter der Nachbarabteilung, wie er sich offenbar praechtig amuesiert. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, dumm nur, dass er offiziell auf Dienstreise zu einem Kongress und offiziell etliche hundert Kilometer weit weg ist. Wie es aussieht, hat er sich die Reise geschenkt und macht stattdessen ebenfalls ein paar Tage Urlaub. Fuer Sie ist das besonders aergerlich, denn eigentlich waeren Sie gerne zu diesem Kongress gefahren, aber Ihr Chef, der Kollege jenes besagten Abteilungsleiters, hat Ihnen erklaert, dass Sie vielleicht fachlich der richtige Mann seien, aber Ober sticht nun mal Unter, da koenne man nichts machen.

Was tun Sie? Noch hat der angebliche Kongressbesucher Sie nicht gesehen, Sie haben also die Moeglichkeit, sich dezent abzusetzen.

Wie ich auf die Frage komme? In der Personalwirtschaft ist ein Artikel zum Thema "Compliance" erschienen, und das hat mich an die Frage in einem Einstellungsinterview erinnert, die so aehnlich wie die hier geschilderte Situation gestellt wurde. Was haetten Sie hierauf geantwortet? Wir sind gespannt auf die Antworten und werden unter den Einsendern ein Buch verlosen.

Donnerstag, 3. September 2009

Lieber Weihnachtsgeld als Weiterbildung

In der Krise wird gespart, keine Frage. Aber bitte intelligent sparen, raten die Experten. Vor allem möge man darauf achten, dass das Engagement und die Bindung der Mitarbeiter hochgehalten werden. Dazu gehört, dass man attraktive Karriereperspektiven bietet, faire Vergütungsstrukturen schafft und differenzierte Qualifikationsmaßnahmen ermöglicht. Denn, so die Ansage: Der Kampf um die besten Mitarbeiter geht weiter, spätestens nach der Krise.

Leicht dahingeschrieben. Wo soll man denn dann sparen? Antwort: Z.B. an den "monetären Zusatzleistungen". Ach ja?

Ein Erlebnis: Ein Konzern hat ein Personalentwicklungsprogramm mit mehreren aufeinander aufbauenden Veranstaltungen aufgesetzt. Teil 1 war gelaufen, es sollte Teil 2 folgen. Dann kam die Krise, die Umsätze brachen ein und Sparen war angesagt. Aussage: "Uns ist klar, dass man gerade jetzt nicht an der Personalentwicklung sparen sollte. Aber zum einen bleiben uns kaum Schrauben zum Drehen. Und zum anderen: Wenn wir den Mitarbeitern ans Geld gehen, sie gleichzeitig weiter auf Seminare schicken, dann werden wir heftigen Widerstand auslösen nach dem Motto: Uns streichen sie das Weihnachtsgeld, aber für Seminare ist noch genug da. Damit kriegen wir ein großes Problem. Deshalb müssen wir leider alle geplanten Veranstaltungen erst mal verschieben."

Was lernen wir daraus?

  1. Vom Wissen (dass Personalentwicklung wichtig ist) zur Umsetzung (nämlich in schlechten Zeiten gerade hier zu investieren) ist ein weiter Weg.

  2. Wenn die Mitarbeiter den Euro in der Tasche der Weiterbildung vorziehen, dann sind wir noch weit von der Wissensgesellschaft und dem "lebenslangen Lernen" entfernt. Oder anders ausgedrückt: Den Mehrwert von Personalentwicklungsmaßnahmen zu vermitteln ist ein hartes Stück Arbeit.

  3. Die Feststellung, in der Krise gerade in Weiterbildung zu investieren, dürfte vor allem ein frommer Wunsch der Weiterbildungsbranche sein. Mit der Realität hat es nur bedingt zu tun.
Oder hat jemand andere Erfahrungen gemacht?

Rezension zum Thema:
Kostenschraube sensivel drehen, Personalwirtschaft 4/2009

Dienstag, 1. September 2009

Assessment Center, in denen keiner verliert?

Ein Assessment Center dient dazu, unter mehreren Kandidaten die für eine Position geeignetsten herauszufischen. Was bei der Einstellung jedem klar ist und es daher auch akzeptiert ist, dass es hier Verlierer gibt (nämlich diejenigen, die als nicht geeignet oder zumindest als nicht ganz so geeignet nach Hause geschickt werden), sieht das bei den internen Personalentwicklungs-ACs schon etwas anders aus. Hier möchte man ja nicht, dass diejenigen, denen kein besonderes Potenzial bescheinigt wird, anschließend frustriert in den Seilen hängen.

Also nennt man die Veranstaltung manchmal Development Center, Development Workshop, Personalentwicklungsseminar oder, wie bei Dr. August Oetker, "Talente im Fokus". Hier können Teilnehmer, denen ihre Vorgesetzten "Potenzial für eine erweiterte Aufgabenstellung" attestieren, teilnehmen oder sich freiwillig melden. Letzteres ist übrigens keine Selbstverständlichkeit, zeigt aber, dass man die Mitarbeiter hier etwas ernster nimmt.

Bei dieser Maßnahme gebe es nur Gewinner, weil alle etwas über sich erfahren. Und diejenigen, denen man kein Führungspotenzial attestiert, seien erleichtert, dass ihnen diese Bürde erspart bleibt.

Das klingt schön, aber ist es realistisch? Ich kann mich an an zwei (ZWEI!) Fälle erinnern, in denen Teilnehmer an einem AC anschließend froh waren, nicht als zukünftige Führungskraft herauszukommen. In dem einen Fall hatte der Vorgesetzte den Mitarbeiter vorgeschlagen, was diesem schon gar nicht recht war. Aber ein "Nein" hätte man nicht akzeptiert, also ging er hin, erhielt das Prädikat "kein Führungspotenzial" und kehrte erleichtert, aber auch gedemütigt zurück. Schließlich hatte er alt ausgesehen und das ganz überflüssigerweise.

In dem anderen Fall war auch der Vorgesetzte die treibende Kraft, und am Ende erhielt der Mitarbeiter sogar die Empfehlung, sich in Sachen Führung weiter zu entwickeln. Im Abschlussgespräch bat er darum, ihn auf seiner Position zu belassen. Er würde sich dort wohl fühlen, hätte ein sehr spannendes Arbeitsgebiet und würde mit Führungsaufgaben all das aufgeben müssen, was ihm jetzt so viel bedeutete. Man war leicht vergrätzt, aber akzeptierte seine Entscheidung.

Aber was ist mit denjenigen, die als zukünftige Führungskraft in die Veranstaltung geschickt werden? Oder denjenigen, die sich selbst melden, weil sie Karriere als Manager machen möchten? Und die dann bescheinigt bekommen, das daraus nichts wird? Sie sollen froh sein, dass sie dabei waren, weil man ihnen ihre Grenzen aufgezeigt hat? Wie viel Feinfühligkeit gehört dazu? Und vor allem: Wie überzeugend müssen die Übungen und Bewertungen sein, damit diese Botschaft ankommt?

Ich habe noch keine Beobachterschulung erlebt, in der die (Laien-)Beobachter so trainiert wurden, dass sie in der Lage waren, ein so klares und nachvollziehbares Bild eines Kanidaten zu entwerfen, dass dieser glücklich ist, wenn er anschließend wieder auf seine alte Position darf. Daher: Ich wünsche es den Oetker-Mitarbeitern, dass keiner im AC - pardon: "Talente im Fokus" - verliert. Aber ich bezweifle es sehr...

Rezension zum Thema:
Ehrlich sein, besonders zu sich selbst, Personalwirtschaft 4/2009